21.12.2016
Haushaltsverabschiedung 2017
Von Markus Vogel
Statement zur Verabschiedung der Haushaltspläne im Kernhaushalt 2017
Die Weichen für die Zukunft stellen!
In Zeiten steigender Einnahmen in den öffentlichen Kassen scheint es ein Leichtes zu sein, Wünsche zu erfüllen und längst notwendige Unterhaltungsaufgaben anzugehen. So zumindest dürfte der sich einstellende Eindruck bei Bürgerinnen und Bürgern sein, wenn wir in regelmäßigen Abständen von Steuermehreinnahmen bei Bund, Land und Kommunen lesen und hören.
Der Haushaltsentwurf der Verwaltung für das Jahr 2017 in Kappelrodeck spricht indessen eine völlig andere Sprache.
Bei sinkenden Einnahmen, durch reduzierte Zuweisungen des Landes, steigen die Kosten auf kommunaler Seite gerade im Bereich der kommunalen Pflichtaufgaben! Dies führt dazu, dass wir für das kommende Jahr wieder einmal keinen ausgeglichenen Haushalt verabschieden können. Knapp ¼ Million € fehlt, um die laufenden Kosten zu decken.
Die negative Einnahmesituation überrascht, angesichts der angesprochenen Mehreinnahmen der öffentlichen Kassen. Es ist eine mehr als bedenkliche Situation, wenn es schon in wirtschaftlich guter Zeit einer Kommune nicht gelingt, die laufenden Kosten der Verwaltung zu decken! Zumal in der Vergangenheit nicht über die Verhältnisse gelebt wurde! Dies muss jedem verantwortungsbewussten Kommunalvertreter zu denken geben.
Eine wesentliche Ursache: das Land Baden‐Württemberg bedient sich auch in 2017 erneut bei den Gemeinden aus den Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs. Es ist ein Armutszeugnis für das grün geführte Finanzministerium, dass es in wirtschaftlich guten Zeiten mit – selbst von der Finanzministe‐rin unbestritten – sprudelnden Steuereinnahmen notwendig scheint, den Kommunen mehrere hundert Millionen Euro an Zuweisungen kurzerhand zum eigenen Etatausgleich vorzuenthalten!
Dass die Landesregierung diesem Etatentwurf insgesamt zustimmt, schmerzt uns als CDU‐Gemeinde‐ratsfraktion in besonderer Weise. Wir werden seitens des CDU‐Ortsverbandes indessen nicht taten‐los stillhalten und unsere Missbilligung dieses Vorgehens auch gegenüber den Mandatsträgern in unserem Wahlkreis parteiübergreifend dezidiert zum Ausdruck bringen.
Man traut als Kommunalpolitiker seinen Ohren nicht, wenn die Finanzministerin Edith Sitzmann am 14.12. in einem Rundfunkinterview formuliert, Zitat: „Ich glaube, dass damit alle zufrieden sein können.“ Diese Aussage zeugt von Arroganz und Ignoranz. Es kann der Ministerin nicht entgangen sein, dass sich die kommunalen Spitzenverbände gegen die Vorwegentnahmen vehement gewehrt haben, wenngleich mit erstaunlich wenig Erfolg. Gerade den finanzschwächeren Kommunen mit ‐strukturell bedingt ‐ beschränkten eigenen Steuereinnahmemöglichkeiten entzieht dieses Vorgehen notwendi‐ges Geld, in unserem Fall schätzungsweise rd. 300.000 € im Jahr 2017.
Die Ironie dabei: Dies ist etwas mehr als der Betrag, welchen wir für einen ausgeglichenen Haushalt benötigt hätten und dies nach vollzogenen Kürzungen im Verwaltungshaushalt von rd. 682 Tsd. €.
Auf wenige – gerade aber für die Bürgerschaft bedeutsame – Einzelpunkte möchte ich gleich vorab eingehen:
- Das Betreuungsangebot in den Kindergärten wird nochmals in beschränktem Umfang ergänzt. Damit wird den Elterninteressen grundsätzlich Rechnung getragen, welche im Mai des zu Ende gehenden Jahres noch keine Finanzierung erfahren konnten.
- Die freiwilligen Leistungen der Vereinsunterstützung bleiben weiterhin unangetastet.
- Ob die Schaffung einer Schulsozialarbeitsstelle in Kappelrodeck notwendig ist und geschaffen werden kann soll im Frühjahr geprüft werden.
- Als notwendige und kostenintensive Investitionen sollen in 2017 realisiert werden:
- Umsetzung des Hochwasserschutzkonzepts am Besenstiel und Straßensanierung
- Neugestaltung Dorfplatz in Waldulm im Rahmen des ELR‐Programms
- In einer ersten Tranche wird der Breitbandausbau kommunal vorangetrieben
- Die Warteckbrücke wird grundhaft saniert, um weitere Kostensteigerungen vermeiden zu können
Die unumgängliche Neuverschuldung wird durch eine erhebliche Rücklagenentnahme von 1,6 Mio. € auf rd. 300.000 € beschränkt.
Unser Zwischenfazit
Das Gebot der Stunde – und zumindest hier haben wir konstanz – lautet für uns unverändert:
Das Wünschenswerte muss vom Notwendigen und Machbaren strikt getrennt werden!
Die CDU‐Gemeinderatsfraktion steht zu den getroffenen Entscheidungen der Haushaltberatungen und wird die weiteren Entscheidungen wie zuletzt kreativ und maßgeblich mitgestalten.
Wenn ich heute für die CDU‐Fraktion unser Statement zur Haushaltsberatung mit: „Die Weichen für die Zukunft stellen!“ tituliert habe, dann fragen Sie sich bislang vielleicht: Wo sind denn hier Wei‐chen gestellt?
Hierauf möchte ich nun im Blick auf mehrere und sehr unterschiedliche Aspekte eingehen. Wir laden ein, den Blick teils weit über unseren Tellerrand hinaus zu richten. Nur so schaffen wir es Ursachen zu beleuchten, die uns in der kommunalen Situation maßgeblich mitbeeinflussen und deshalb auch für uns in Zukunft wichtig sein werden:
1. Generelle politische Situation und seine Auswirkungen
Deutschland, und wir in Kappelrodeck als Teil hierin, sind vor immense außenpolitische Heraus‐forderungen gestellt. Auch wenn die Bevölkerung hiervon nur bedingt Kenntnis nimmt: Wir er‐leben neben dem Brexit vielfache Destabilisierungstendenzen in Europa, eine zunehmend prekäre Sicherheitslage an den östlichen und südlichen Grenzen Europas, bis hin zu globalen Verwerfungen in Folge populistisch geprägter Wahlentscheidungen von Demokratien oder neue autokratische Tendenzen bislang verlässlicherer Nationen. Wir müssen wir uns fragen, ob wir national und auf allen innenpolitischen Ebenen so weiter machen können wie bisher? Die noch bestehende Vormachtstellung Deutschlands hinsichtlich der Exportüberschüsse im globalen Markt, welche den Wohlstand in Deutschland maßgeblich sichert, ist angesichts solcher Entwicklungen, die bis vor wenigen Jahren nicht absehbar waren, fragil und in Gefahr. Hinzu kommen die kleingeistigen, nationalistischen Abgrenzungstendenzen, welche auch in Deutschland für den Wohlstand und das Gemeinwohl eine noch unmittelbarere Gefahr darstellen.
Insofern gilt es angesichts einer zukünftig instabileren Sicherheits‐ und Wirtschaftslage jetzt die Weichen zu stellen. Wir dürfen künftig nicht weitere soziale Wohltaten und Rechtsansprüche für Gesellschaftsteile manifestieren. Am Ende der Fahnenstange haben wir als Kommunen die Zeche zu zahlen und müssen den Bürgerinnen und Bürgern die unpopulären Mitteilungen machen, die auf Landes‐ und Bundesebene gerne vermieden und an uns verschoben werden.
Wir müssen die Bürgerinnen und Bürgern mit der Realität konfrontieren, auch wenn dies unpo‐pulär ist, zumal in Wahljahren. Die weichgespülte und selten offene Politikersprache ist irrefüh‐rend. Der deutsche Sozialstaat stößt bereits jetzt an seine Grenzen und schafft dabei völlig falsche Anreize. Ich möchte mir heute noch nicht ausmalen was notwendig und in der öffentlichen Wahrnehmung geschehen wird, wenn die Steuereinnahmen zurückgehen und die Politik den momentanen Sozialluxus gesetzlich einschränken muss.
2. Kommunaler Substanzerhalt
Eigentum verpflichtet! Wir müssen in Kenntnis des Zustands und des teils weit fortgeschrittenen Substanzverzehrs öffentlicher Einrichtungen und Infrastrukturen (z.B. Straßen und Gebäude) auch kommunal Geld freimachen, um die Lebens‐ und Arbeitsräume mit noch vertretbarem Aufwand zu sichern. „Die Weichen für die Zukunft stellen!“ bedeutet in diesem Kontext: Wir müssen in den Folgejahren regelmäßiger und nennenswerter z.B. in den Straßenunterhalt und die Gebäudesubstanz investieren, als dies im nächsten Jahr noch der Fall sein wird.Ein großer aber notwendiger Brocken wird hierbei auch das Rathausgebäude darstellen. Deshalb wird „Weichen stellen“ auch heißen, Prioritäten setzen zu müssen.
3. Digitalisierung und Breitbandausbau
Nichts bleibt wie es ist. Haben bis vor wenigen Jahren eine funktionierende Wasser‐, Abwasser‐ und Stromversorgung für ein angenehmes Leben gesorgt und ausgereicht, hat schon der Einzug der ersten Telefone für ein weiteres Infrastruktursystem gesorgt. Zwischenzeitlich wird deutlich, dass ein bloßes Kupferkabel oder der Postbote nicht mehr ausreichen, um Wirtschaftsleistung, soziale Teilhabe sowie Wissens‐ und Informationstransfer in einer zunehmend digitalisierten Welt sicherzustellen.
Die digitale Revolution wird nach Meinung vieler Wirtschaftsexperten weitreichendere Folgen haben als die seinerzeitige industrielle Revolution. Dies macht weder vor der heimischen Wirtschaft noch der Arbeitswelt der Angestellten halt. Der Ausbau einer neuen und gesellschaftlich unabdingbaren Hauptschlagader in Form eines glasfaserbasierten Breitbandnetzes ist überfällig. Wir müssen die Weichen für die digitale Teilhabe in unserer Gemeinde auch kommunal stellen und neue „Verbindungen“ schaffen.
Dies wird ein zweifellos teures und herausforderndes Unterfangen werden. Egal was in Zukunft auf Europa, unser Land oder Kappelrodeck zukommen mag: ohne funktionierende globale Kommunikationswege via Glasfaserkabel ins Internet und weltumspannender Vernetzung fielen wir mittelfristig in eine moderne Steinzeit zurück.
Diese Investitionen sind für die CDU‐Fraktion alternativlos und es wert, nennenswerte Neuver‐schuldungen mit nur langfristiger Amortisationsaussicht einzugehen. Hier halten wir eine zeitnahe Ausgliederung dieser Aufgabe in eine weitere Sparte der Gemeindewerke für zwingend geboten. Dies möchten wir im Übrigen als offiziellen Antrag an die Verwaltung verstanden wissen!
4. Verantwortung der Basis
„Die Weichen für die Zukunft stellen!“ bedeutet nach unserer Einschätzung aber auch, dass wir uns wieder mehr für Politik interessieren und engagieren müssen! Wir erleben derzeit die Aus‐wirkungen einer weitgehend depolitisierten Gesellschaft. Demokratie und eine positive Wohl‐standsentwicklung kommt für die meisten Menschen heute wie selbstverständlich und wie der Strom automatisch aus der Steckdose. Was für eine Fehleinschätzung!
Wer meint, man könne „gegen Die da oben“ politisch ohnehin nichts ausrichten, der irrt. Es kann politisch nur der nichts ausrichten, der sich außerhalb von politischen Parteien in den Schmollwinkel zurückzieht und in Lethargie verfällt.
Wenn wir als Kommunen politisch wahrgenommen werden wollen brauchen wir starke, politisch aktive Ortsverbände, die in den Kreis‐ und Landesverbänden der Parteien den übergeord‐neten Abgeordneten den Spiegel vorhalten und diese mit der kommunalen Sicht konfrontieren und auch laut widersprechen.
Wir brauchen wieder mehr Mut zu politischem Bekenntnis und politisches Engagement in der Bevölkerung um die lieb gewonnenen und gesellschaftlich gewünschten Leistungen auch auf kommunaler Ebene dauerhaft sicherstellen zu können.
Wir müssen Mittelzuwendungen des Gesetzgebers, z.B. bei den Hauptkostenverursachern und Aufgaben wie der Kindererziehung, ‐bildung, und ‐betreuung, erreichen, die z.B. am Gehaltsstei‐gerungsautomatismus des öffentlichen Dienstrechts orientiert sind. Gleichbleibende Zuwendun‐gen bei permanent steigenden Personalbedarfen und ‐kosten führen über kurz oder lang zum Exitus der Angebotsvielfalt.
Der Gesetzgeber muss überdies Rechtsansprüche durch eine dezidierte und klare Gesetzgebung erreichen und von Beginn an präzisieren. Wer die Entwicklung aktiv verfolgt stellt fest, dass die Kommunen – durch unpräzise und dadurch schlechte Gesetze – gerade bei den Sozialleistungen von der Rechtsprechung Getriebene sind. Dies schnürt den Kommunen weiter und weiter die Luft ab. Gesellschaftlich gewünschte und gesetzlich verordnete Ansprüche müssen finanziell vom Gesetzgeber ausreichend und dauerhaft finanziert werden. Wir können als Kommunen die Kostenentwicklungen ‐ ohne sich weitgehend gleichlaufend nach oben mitverändernden Lan‐deszuweisungen ‐ nicht durchhalten.
Besorgniserregend ist das konkret zu benennende Beispiel der Defizitentwicklung in unserem Kindergartenbereich: Während wir im Jahr 2013 bei einem Jahresdefizit aller Kindergärten von 383.000 € noch eine Kostenbeteiligungsquote durch das Land von 56 % hatten, müssen wir in 2017 ein geplantes Defizit von 1.095.000 € erwarten. Die hierin bereits berücksichtige Kostenbe‐teiligungsquote des Landes beträgt gerade noch 33 % und ist in den letzten drei Jahren stetig zurückgegangen.
Auch wenn der ein oder andere jetzt zwischenzeitlich den Eindruck bekommen haben sollte, dass diese Dinge nur bedingt mit unserer Haushaltsberatung zu tun hätten, ich bin davon überzeugt, dass wir uns gedanklich auf weit schwierigere Zeiten einstellen müssen, als wir sie heute vor Augen haben. Insofern hat dies auch für unsere kommunale Finanzplanung und die Gemeindeentwicklung wesentliche Bedeutung, eben im Sinne von „Die Weichen für die Zukunft stellen!“.
Hinsichtlich der Finanzierung der an die Kommunen delegierten Pflichtaufgaben müssen wir als kommunalpolitisch Verantwortliche unseres Erachtens aktiver werden. Das Benennen von Missstän‐den bei der Mittelzuweisung des Landes in unseren örtlichen Beratungen reicht ebenso wenig aus wie das wiederkehrende öffentliche Lamentieren ob dieser Situation. Wir laden die Kollegen der SPD und der Freien Wählervereinigung ein, sich unserer zu Beginn angekündigten politischen Initiative anzuschließen.
Für die CDU‐Fraktion
Markus Vogel